Sie stand schon eine Weile dort, starrte auf das Wasser, den Himmel mit seinen dicken Wolken.
Das Rauschen des Meeres machte sie ruhig, gelassen, auf eine gewisse Art stoisch.
Was hatte sie hierhergebracht?
War es der Tod, der in ihrer Familie um sich gegriffen hatte? War es der tägliche Kampf weiterzuleben, weiterzuarbeiten, immer im gleichen Trott?
Sie hatte versucht auszubrechen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, als sie das kleine Haus angemietet hatte. Einfach neu beginnen, mit allem, das war der Plan. –
Doch das Leben lässt sich nicht planen, das musste sie schmerzlich erkennen. Nur ein Anruf hatte genügt, sie zurückzuwerfen in ihr altes Leben.
Und jetzt stand sie hier am Strand, starrte auf die Wellen, fühlte wie der Wind ihre Haare zerzauste und schmeckte die salzige Luft auf ihren Lippen. Schuhe und Strümpfe hatte sie ausgezogen. Sie standen wie zurückgelassen im Sand, jeweils ein Strumpf in einen Schuh gelegt. Zögerlich ging sie einen Schritt vor und spürte die Kälte des Wassers, das langsam ihre Zehen umspülte.
So hatte es sich angefühlt, als sie mit ihrer kleinen Schwester und den Eltern zum ersten Mal an diesem Ort gewesen war. Sie hatten im Sand gespielt, eine Burg gebaut und waren dann zum Wasser gelaufen. Ihre Eltern saßen im Strandkorb, Vater las Zeitung und Mutter das rote Buch, das sie mitgebracht hatte.
Heute war sie alleine. Niemand war da. Keiner kannte sie, keiner brauchte sie und keiner würde sie vermissen.
Einfach nach vorne gehen, dachte sie, einfach gehen und nicht mehr stehenbleiben. –